Bernhard von Waging
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Religio

Habitualisierung und Pluralisierung

In drei eng zusammengehörenden Schriften ist die Auseinandersetzung zwischen Bernhard von Waging und
Johannes von Eych um die in ihrer Zeit angemessene geistliche Lebensform (religio) dokumentiert.

Wie aus einer einleitenden Bemerkung Bernhards geschlossen werden kann, gehen die aufeinander Bezug
nehmenden Schriften Speculum seu monitorium pastorum et animarum rectorum, Epistola impugnatoria und
Defensorium speculi pastorum auf ein Gespräch zwischen Bernhard von Waging und Johann von Eych de
statu religionis zurück. Während das Speculum pastorum zu einem grundsätzlich sich äußernden Traktat
stilisiert und von persönlichen Bezügen weitgehend frei ist, ist die Entgegnung des Johann von Eych rhetorisch
als an Bernhard adressierter Brief gestaltet, auf den Bernhard wiederum mit einem Episteltraktat antwortet,
der zwischen brieflicher Adressierung und neutralisierter Traktatsrhetorik changiert.

Die in dieser Auseinandersetzung entwickelten Kriterien für die Wahl entweder der mönchischen oder der weltpriesterlichen Lebensform versuchen zwischen dem individuellen Heilsinteresse dessen, der eine bestimmte Lebensform wählt, und dem allgemeinen Heilsinteresse derer, die dem priesterlich-sakramentalen Wirken anvertraut sind, zu vermitteln. In nur einer Handschrift (clm 4403) sind die drei Texte unmittelbar aufeinander folgend überliefert, zwei weitere Handschriften überliefern die Texte in von anderen Texten unterbrochener Anordnung, jedoch so, dass die Epistula impugnatoria und das Defensorium speculi pastorum unmittelbar aufeinander folgen (clm 18548b und clm 7007); ein Textzeuge überliefert das Speculum pastorum und die Epistula impugnatoria unmittelbar aufeinander folgend (Eichstätt UB cod. st. 700), weitere zwei Textzeugen überliefern nur die Epistula impugnatoria. Schon dieser Überlieferungsbefund zeigt unabhängig vom Interesse an den jeweiligen Autoren und der Konsolidierung ihrer Texte zum „Werk“ die Divergenz zwischen produktions- und rezeptionsästhetischen Interessen, die für die Rekonstruktion der Teilnehmer und Interessen des Klöster und Diözesen erfassenden Reformdiskurses aufschlussreich sind.